„Jedes Leben ist wertvoll – egal mit welchen Einschränkungen.“

Im Mai 2025 war Giovanni Bruno, Geschäftsführer der Agentur fokus digital GmbH als Praktikant eine Woche bei uns in der Familienherberge Lebensweg.

 

Giovanni, wie kam es überhaupt dazu, dass du als Geschäftsführer einer Digitalagentur in Berlin ein Praktikum bei uns in der Pflege gemacht hast?

Ich wollte schon lange wieder näher an die Menschen, für die ich mit meiner Agentur digitale Lösungen entwickle. Wir arbeiten viel mit Pflege- und Sozialunternehmen zusammen, beraten sie in Sachen Digitalisierung, Recruiting oder Kommunikation. Doch um wirklich zu verstehen, wie es den Menschen an der Basis geht, muss man selbst dort sein. Ich habe schon verschiedene Praktika in Altenpflegeeinrichtungen gemacht – dieses Mal wollte ich bewusst in die Arbeit mit Kindern mit Beeinträchtigungen eintauchen, um zu lernen, zu fühlen und die Realität besser greifen zu können.

 

 

Was war dein erster Eindruck, als du in den Pflegealltag der Familienherberge eingetaucht bist?

Ich wurde sofort herzlich empfangen. Meine Ansprechpartnerin, Andrea Ebner, hat mich am ersten Tag durchs Haus geführt und alle Mitarbeitenden haben mich direkt ins Team integriert. Mein erster Gedanke war: Hier herrscht eine unglaubliche Wärme. Keine Berührungsängste, keine Hektik – sondern echte Menschlichkeit und ein respektvoller Umgang miteinander. Das hat mich direkt tief berührt.

Besonders beeindruckt hat mich aber auch die Geschichte hinter der Familienherberge Lebensweg. Zu wissen, dass Karin Eckstein dieses Haus mit so viel Herzblut, Erfahrung und Vision aufgebaut hat – aus einer persönlichen Überzeugung heraus, Familien mit schwerstbehinderten Kindern echte Entlastung zu geben – hat mir großen Respekt abverlangt. Sie hat nicht nur ihre fachliche Kompetenz aus der Kinderkrankenpflege und Gesundheitspädagogik eingebracht, sondern vor allem ihr Herz und ihre Energie. Ohne Menschen wie sie, die selbstlos und mit unerschütterlichem Glauben an ihre Idee vorangehen, gäbe es solche Orte nicht.

Und auch Martin Mörmann, der mit seinem Engagement und seiner ruhigen, zugewandten Art tagtäglich so viel für die Familien und Mitarbeitenden gibt, hat mich beeindruckt. Beide zusammen stehen sinnbildlich für das, was die Familienherberge ist: ein Ort, der nicht aus Profitdenken entstanden ist, sondern aus purer Menschlichkeit, Ehrenamt und der Vision, etwas zu bewegen. Das verdient meine größte Wertschätzung und Bewunderung.

 

 

Gab es einen Moment in dieser Woche, der dich besonders berührt oder überrascht hat?

Ja, viele. Aber besonders ist mir ein Moment im Gedächtnis geblieben, als ich mit einem Kind im Rollstuhl spazieren gegangen bin. Es konnte weder sprechen noch sich bewegen, aber es hat mit kleinen Blicken und einem sanften Blinzeln gezeigt, dass es Freude daran hatte, draußen zu sein, den Wind zu spüren, Vögel zu hören. Da wurde mir klar, wie wenig es manchmal braucht, um einen Menschen glücklich zu machen – und wie wertvoll jeder Moment sein kann.

 

Welche Aufgaben hast du konkret übernommen – und was davon war für dich komplett neu?

Ich habe bei kleinen und großen Aufgaben ausgeholfen - ob Desinfizieren, Mahlzeiten vorbereiten, Kinder beim Frühstück sowie auf Spaziergängen begleiten und Zeit im Spielzimmer oder im multisensorischen Raum verbringen. Ganz neu für mich war die Arbeit mit Kindern, die nicht sprechen können oder ausschließlich über minimale Bewegungen kommunizieren. Es war herausfordernd, diese Signale zu deuten – aber auch unglaublich schön, wenn ich gemerkt habe, dass sie mich verstehen und mir auf ihre Art antworten.

Hat sich durch diese Woche dein Blick auf den Pflegeberuf verändert? Wenn ja, wie?

Ja, definitiv. Ich habe einmal mehr verstanden, dass Pflege weit mehr ist als Waschen, Anziehen und Dokumentieren. Es ist Beziehung, Nähe, Zuhören, Verstehen. Gerade hier in der Familienherberge wird das deutlich – es geht darum, den Kindern und ihren Familien eine Auszeit zu schenken, Sicherheit zu geben und das Leben für sie ein Stück leichter zu machen. Das hat mich tief beeindruckt.

Wie hast du den Kontakt zu den Familien und den Kindern erlebt?

Sehr offen und herzlich. Viele Eltern haben mich direkt mit einbezogen, mir von ihrem Alltag erzählt und mir gezeigt, wie selbstverständlich sie ihre Kinder lieben, egal mit welchen Einschränkungen. Diese Stärke und Ruhe der Eltern hat mich beeindruckt. Auch die Kinder haben mich bedingungslos so akzeptiert, wie ich bin – sie nehmen dich einfach als Mensch wahr, nicht als Funktion oder Position.

 

Was war körperlich oder emotional die größte Herausforderung während deines Praktikums?

Emotional war es am ersten Tag herausfordernd, zu sehen, wie schwer manche Kinder beeinträchtigt sind. Man fragt sich unweigerlich: Wie gehen Eltern damit um? Wie fühlt sich so ein Leben an? Doch sehr schnell habe ich verstanden, dass diese Kinder genauso lebensfroh sind wie alle anderen – sie drücken es nur anders aus. Körperlich war es für mich keine große Belastung, da die Mitarbeitenden keine Anstrengungen alleine durchführen mussten – es wurde stets im Team gearbeitet.

Was nimmst du aus dieser Woche mit zurück in deinen Berufsalltag als Agenturleiter?

Demut, Dankbarkeit und das Bewusstsein, dass Digitalisierung in der Pflege wichtig ist – aber niemals die persönliche Begegnung ersetzen kann. Wir sollten digitale Tools so gestalten, dass sie Zeit für Menschlichkeit schaffen, nicht sie ersetzen. Und ich nehme mit, dass jeder Mensch – egal mit welchen Einschränkungen – einen Wert hat und Freude empfinden kann, wenn man ihm auf Augenhöhe begegnet.

Würdest du anderen empfehlen, einmal selbst ein Pflegepraktikum zu machen – gerade als Mensch aus einer ganz anderen Branche?

Ja, absolut. Jeder Mensch sollte einmal erlebt haben, was echte Fürsorge bedeutet – unabhängig davon, ob man später in der Pflege arbeitet oder nicht. Es erdet, es macht dankbar und es zeigt, was im Leben wirklich zählt.

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